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Das Evangelische Wort  Sonntag, 06. 12. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

ein Beitrag von Pfarrerin Gundula Hendrich (Kitzbühel, Tirol)

Zweiter Advent und Nikolaus. Hertha ist hellwach und wie in Kindertagen mit einem Satz aus dem Bett. Sie hat sich für diesen Sonntag etwas Besonderes vorgenommen. Sie wird bei dem neuen Geistlichen am Nachmittag einen Antrittsbesuch machen. Er ist erst vor kurzem mit seiner Frau aus der Türkei hierher gezogen. Und da könnte ein kleiner freundlicher Besuch vielleicht hilfreich sein, für das Ehepaar und ebenso für sie selbst.

Dieser Sonntag heute ist ideal, denn der Nikolaus wirkte ja im Gebiet der heutigen Türkei: In der antiken Stadt Myra, dem heutigen Demre, einem kleinen Ort zwischen den Städten Antalya und Fethiye. Er war also ein Landsmann des neuen Imam, wenn auch kein Türke, denn damals, im 4. Jahrhundert, beherrschten die Römer Kleinasien. Nikolaus von Myra – er war ein Bischof, ein Christ, der bis heute aufgrund seiner Nächstenliebe geschätzt und verehrt wird. Viele Legenden erzählen von seiner Hilfsbereitschaft und Freigiebigkeit und darin wurzelt der Brauch, dass Kinder bis heute in seinem Namen Geschenke bekommen.

Und manchmal eben auch Erwachsene, denkt Hertha. Sie wird Kleinigkeiten mitnehmen, die typischen Nikolausgeschenke ihrer Kindheit: Sie hat Haselnüsse und Erdnüsse aus der Türkei gefunden, außerdem wohlriechende Mandarinen, Äpfel, selbstgebackene Kekse und Schokoladen-Nikoläuse kommen dazu. Sie richtet alles fein auf einem Teller an – ein Nikolausschuh oder -strumpf waren ihr anstößig erschienen, eine Martin Luther -Socke mit dem Motto „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“, das ideale Nikolausgeschenk für Evangelische, kommt ebenfalls nicht mit. Lieber ein kleines Tannengesteck mit Kerze. Ganz behutsam. Sie möchte eine Brücke bauen und dafür, so hofft sie, könnte sich ein Nikolaus als Gesprächsanlass ganz gut eignen.

Hertha liebt Gespräche und Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen: Die in den großen Städten zwischen gelehrten Wissenschaftlern der großen Religionen und die zwischen einfachen Gläubigen hier vor Ort in ihrer kleinen Stadt. Sie erinnert sich gern an die Heiterkeit und Vielfalt des interkulturellen Frauen-Frühstücks und an gemeinsame Schulfeiern, an Einladungen zu Weihnachtsfeiern und Ramadan-Essen. Hoffentlich geht das auch mit dem neuen Imam und seiner Frau und hoffentlich geht es sogar ein bisschen weiter, wünscht sie sich und amüsiert sich gleichzeitig über ihre hohen Erwartungen.

Sie hält inne und ruft sich in Erinnerung, warum sie den muslimischen Religionslehrer so eindringlich gebeten hat, anzufragen, ob ein Besuch am Sonntagnachmittag, jetzt, am zweiten Advent, Recht sei. Der Schweizer Volksentscheid sitzt ihr in den Knochen, diese Mehrheitsentscheidung gegen den Neubau von Minaretten in der Schweiz am vergangenen ersten Advents-Wochenende. Über die Hintergründe dieser Entscheidung wird in den Medien viel berichtet. Mit unterschiedlichen Absichten. Hertha liegt daran, vor Ort das Gespräch zu suchen. Und dafür ist ihr der 6. Dezember herzlich willkommen als Tag dieses mittlerweile weltweit beliebten Bischofs aus Kleinasien – Bischof „mit Migrationshintergrund“, wie er wohl neudeutsch heißen würde, schmunzelt sie. Was er wohl zu dem Minarett-Entscheid sagen würde? „Geduld“ würde sie ihm gern in den Mund legen, „Geduld und einen langen Atem.“

zum Nachdenken...  Wann fängt Weihnachten an?

Verfasser: Rolf Krenzer

Wenn der Schwache dem Starken die Schwäche vergibt,
wenn der Starke die Kräfte des Schwachen liebt,

wenn der Habewas mit dem Habenichts teilt,
wenn der Laute bei dem Stummen verweilt und begreift,
was der Stumme ihm sagen will,

wenn das Leise laut wird und das Laute still,
wenn das Bedeutungsvolle bedeutungslos, das scheinbar Unwichtige wichtig und groß,

wenn mitten im Dunkel ein winziges Licht Geborgenheit, helles Leben verspricht,
und du zögerst nicht, sondern du gehst so wie du bist darauf zu,

dann, ja dann fängt Weihnachten an.

© Rolf Krenzer Erben, Johannstr. 11, D-35683 Dillenburg


Segen ist wie Meerwasser
(aufgelesen auf www.sichtbar-evangelisch.at)




Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir

Bevor Hertha Ferien macht, sind immer tausend Sachen zu erledigen. Das ist auch gut so, weil sie neben aller Vorfreude ab und zu auch ein bisschen Angst bekommt. Es ist ihr nicht so einerlei, was da alles passieren kann auf Reisen. Sie ist richtiggehend segensbedürftig, nicht nur, aber vor allem vor einem Reisebeginn.

Das Bibelwort für den Monat Juli ist daher so recht nach Herthas Geschmack. „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Psalm 139,5. Das ist einer von Herthas Lieblingspsalmversen. „Von allen Seiten umgibst Du mich…“ – das ist für Hertha Segen „rund ummidummi“, der sich, je nachdem, wo sie sich aufhält, ganz unterschiedlich anfühlt und duftet – wie Moor- oder Meerwasser, wie Bergwiesenblumen und Heu und vieles mehr..

Der zweite Teil des Psalmwortes  - Gottes schützende und segnende Hand - hatte für Hertha viele Jahre eine klare Gestalt. Über der Kanzel ihrer Heimatkirche hing nämlich lange als künstlerisch gestaltete akustische Hilfestellung eine weiße, modern gestaltete Segenshand. Sie war an starken Nylonfäden aufgehängt und geriet je nach Zugluft und gestikulierender Pfarrperson auch gern in Bewegung. „Du hältst Deine Hand über mir…“.das war in jedem Gottesdienst deutlich sichtbar. Die Hand von damals ist längst wieder abgebaut, das Bild ist Hertha im Herzen geblieben als Symbol für all die vielfältigen, guten Erfahrungen, auch dafür, dass Heiterkeit und Leichtigkeit Raum haben dürfen bei Gott.

Ihnen allen wünsche ich ebenso wie Hertha gute eigene Erfahrungen mit diesem Psalmwort in den kommenden Sommerwochen. Ich wünsche Ihnen Gottes spürbaren Segen, damit Sie ‚des Tages die Sonne nicht steche noch der Mond des Nachts.’ Bleiben Sie gesund „und bis wir uns wieder sehen halte Gott Sie fest in seiner Hand….“

Mit herzlichen Grüßen von Ihrer Pfarrerin Mag. Gundula Hendrich


Predigt zum Familien-Waldtag
vom 1. Juni 2008

ein Beitrag von Mag. Willi Thaler

1.Mose 1,11-13: Dann sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen. So geschah es. Das Land brachte junges Grün hervor, alle Arten von Pflanzen und alle Arten von Bäumen. Gott sah, dass es gut war.
So wurde Abend und es wurde Morgen: der dritte Tag.
Kap. 2,15: Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, damit er ihn bebaue und bewahre.
Liebe Gemeinde! Die gute Schöpfung Gottes gilt es zu bewahren. Das ist der eigentliche Schöpfungsauftrag Gottes an seine Menschen, die er verantwortlich für diese Erde erschaffen hat. Wir Menschen sollten als Gottes Partnerinnen und Partner tätig sein – immer im Einklang damit, wie Gott es sich vorgestellt hat.
Also die Schöpfung pflegen und hegen, darauf achten, dass es keinen Raubbau gibt, dass die Rohstoffe nicht verantwortungslos ausgebeutet werden, bis nichts mehr da ist und die Umwelt zerstört ist.
In Zeiten wie diesen, wo plötzlich Reis und Weizen für das tägliche Leben knapp werden bzw. es sich die armen Menschen nicht mehr leisten können, da wird uns die Perversion der multinationalen Ausbeutungsmaschinerie deutlich vor Augen geführt.
Kaum irgendwo gibt es noch einen unberührten Urwald, weil alle Riesenbäume gewinnbringend niedergeholzt werden müssen. Mit größter Mühe wurde bis jetzt verhindert, dass die ökologisch hochsensible Antarktis rohstoffmässig ausgebeutet wird.
Aber Gott sah, dass es gut war – mit seiner Erde. Dass genug Bäume und Pflanzen zum Leben da waren; dass sich die Menschen an der Pracht der verschiedensten Blumen und Sträucher erfreuen konnten.
Wir leben in einer privilegierten Weltgegend. Wir haben eine wunderschöne Landschaft, wir haben genug Nahrung, genug Energievorräte und genügend Zeit, um das Leben zu genießen.
Sind wir aber glücklicher als die vielen anderen Menschen, die nicht wissen, wie sie den nächsten Tag hungermässig überleben werden?
Leben wir sinnerfüllter und glaubensfester wie sie, die so genannten „Hungerleider“, die am Tropf unserer Almosen hängen?
Wir leben in dieser Welt als Privilegierte und deshalb sollten wir auch als Mitverantwortliche für diese Schöpfung und ihre Menschen leben. Wir leben in dieser Welt als Genießende und deshalb sollten wir auch dankbarer und bewusster in dieser Welt leben. Und niemals die Augen und Ohren verschließen vor dem Schicksal der Menschen, die so arm und elend dran sind, die so furchtbar vor sich hinvegetieren, die sich ihre Nahrung von den Müllhalden der Reichen herauswühlen. „Hunger ist kein Schicksal“ hieß einmal ein Slogan, sondern „Hunger wird gemacht“. Schlimm genug, wenn die Bauern zu wenig für ihre Milch bezahlt bekommen, aber um nichts besser ist es, diese kostbare Nahrung einfach wegzuschütten und zu vernichten.
Eine Statistik sagt uns: Was in Wien an einem Tag an altem Brot vernichtet wird, das ist die Tagesration für die gesamte Grazer Bevölkerung.
„Gott aber setzte den Menschen in den Garten Eden, dass er ihn bebaue und bewahre.“ Weil wir das alles wissen, weil Gott uns Verstand und ein Herz gegeben hat, deshalb können wir uns auch anders verhalten.
Weil Gott es uns zutraut. Gott ist davon ausgegangen, dass wir Menschen mit seiner Hilfe unser Leben gut meistern können. Aber wir Menschen gehen oft unsere eigenen Wege, weil wir uns so klug, so überlegen, so weise vorkommen.
Und diese Haltung führt meistens ins Elend, führt auf Irrwege und Abwege.
Insofern halte ich den heutigen Familien-Waldtag für eine wunderbare Idee.
Sich auf das einzulassen, was für unser Leben wichtig ist. Das zu genießen, was uns Gott auf liebevolle Weise anvertraut hat.
Wer in einer grünen Landschaft wie hier lebt, dem wird vieles selbstverständlich. Aber die Menschen in der Stadt suchen geradezu die grünen Flecken, die Bäume im Park und die Blumen – weil sie wissen: davon kann man leben, daran kann man sich freuen, das kann man genießen.
Auf eindrucksvolle Weise haben es uns die Indianer und andere Ureinwohner (die so genannten indigenen Völker) vorgelebt und es in Worte gefasst, wenn es da heißt:
„Jeder Ort dieser Erde ist heilig.
Wir sind Teil dieser Erde und sie ist Teil von uns.
Die Luft ist kostbar, denn alles Sein teilt den gleichen Atem:
die Pflanzen, die Tiere, die Menschen.
Die Luft teilt ihren Geist mit all dem Leben, das sie nährt..
Was sind die Menschen ohne die Tiere?
Ohne sie würden wir sterben aus seelischer Einsamkeit.
Denn was immer den Tieren geschieht, geschieht bald auch den Menschen..
Alle Wesen sind miteinander verbunden.
Lehrt die Kinder, dass die Erde ihre Mutter ist.
Was der Erde widerfährt, widerfährt auch den Kindern der Erde..
Wir wissen: die Erde gehört den Menschen – Menschen gehören zur Erde.
Alles Sein ist verbunden...
Was immer der Erde angetan wird, geschieht auch den Kindern der Erde.
Menschen webten nicht das Netz des Lebens, sie sind nur ein Faden darinnen..
Was immer wir dem Lebensnetz zufügen, fügen wir uns selbst zu...
Unsere Seelen kommen alle aus der einen Quelle...“
Und unsere Quelle des Lebens, liebe Gemeinde, das ist der lebendige Gott,
der Schöpfer des Himmels und der Erde. Amen
.


Das Evangelische Wort  Sonntag, 21. 10. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

ein Beitrag von Pfarrerin Gundula Hendrich (Kitzbühel, Tirol)

 „Schirm kaufen“, notiere ich kurz auf einem gelben kleinen Zettel. Nach den wunderschönen Oktobertagen dürfte es jetzt kalt und regnerisch werden. Ja, so ein Sonnengelber wäre fein – oder noch besser, so einer wie der Lieblingsschirm meiner Schwester. Der leuchtet in den Farben des Regenbogens, und ist riesengroß und heiß begehrt in ihrer Familie. Weil er schön und außerdem so praktisch ist. In geschlossenem Zustand mag ihn ihr Mann, weil er sich gern einmal drauf stützt, ihre Töchter nehmen ihn trotz Gewicht und Größe abends mit, weil er nicht nur gegen Regen sondern auch vor eventuellen Belästigungen schützt und sie selbst genießt die bunten Farben und dreht ihn bei ihren Spaziergängen gedankenverloren langsam am Knauf. Ja, so einen Schirm könnte ich ihr vielleicht als Weihnachtsgeschenk für mich nahe legen.

Bei unserem wöchentlichen Telefonat erzähle ich ihr von den Hinterlassenschaften von Reisegruppen, die unsere Gottesdienste besuchen, also von diesen oft edlen, farblich eher gedeckten Schirmen, die dann lange unseren Schirmständer zieren und will dann sachte überleiten zu meinem Weihnachtsgeschenkanliegen. Da unterbricht sie mich und erklärt, dass sie selbst nur bunte Schirme habe. „Ich brauche Farben, wenn es so trist und nass und grau ist“, sagt sie, „sonst kriecht mir dieses Wetter so unter die Haut und macht mich traurig“.

Und dann erzählt sie mir schmunzelnd, dass sie leider ihren grünen Schirm mit den Schafen und den Gänseblümchen verloren habe. Und dass es jetzt sogar Schirme mit Ohren gebe. „Für Kinder – leider nur für Kinder, aber so einer in etwas größer, der wäre doch ideal für dich.“

Als jüngere Schwester liebt sie solche Provokationen. Sie weiß eigentlich genau, dass ich als Pfarrerin wirklich nicht mit so einem kindischen Ohrenschirm herumlaufen könnte.

„Ich meine das ernst“, erklärt sie dann versöhnlich. „Ein Schirm ist doch ein biblisches Bild für Gott. Dafür, dass er uns beschützt und behütet und zwar egal bei welchem Wetter, also in jeder Lebenslage. Steht schon in den Psalmen. „Und außerdem“, nun etwas verschmitzt, „hat Gott immer ein offenes Ohr.“

Dann macht sie eine Pause und spricht etwas ernsthafter weiter. „Ich bin selbst so, wie diese Leute, die ihre Schirme bei euch in der Kirche lassen. – Wenn die Sonne scheint, also wenn es mir gut geht, dann denke ich selten an Gott und dann lasse ich sogar meinen Schäfchenschirm stehen. Aber dann, wenn es schüttet, also wenn ich Hilfe brauche, dann erinnere ich mich wieder und bete.“ Sie schluckt.

„Finde ich fein, wie du das eben gesagt hat“: Sie ‚lassen’ ihre Schirme in der Kirche. Sie vergessen sie also nicht wirklich, sondern lassen sie an einem guten Ort. Gott selbst aber geht mit. Der bleibt nicht im Schirmständer. „Deine Ohrenschirme müssten“, ergänze ich, um den predigtartigen Ton abzuschwächen, „auch noch Beine bekommen“.

„Die gibt es auch“, lacht sie leise. Und dann nehme ich innerlich Anlauf, um auf die Anlässe ihres Betens zuzugehen und trau mich zu fragen, wie es ihr geht, wirklich geht mit ihrer Krankheit und den Therapien. Und während sie erzählt, bin nun ich diejenige, die versucht, die Tränen hinunterzuschlucken. – Es bleibt bei dem Versuch, wir weinen beide, aber es tut unendlich gut, nicht nur zu scherzen und zu lachen, sondern auch die Ängste zu teilen.

In solchen Momenten der Nähe spüre ich ihn ganz stark, den Schutz und Schirm Gottes. Weil gerade dann eine Nähe entsteht, die das Erstarrtsein vor lauter Angst löst und wieder lebendig macht.

„Ihr könntet eigentlich einen Schirmverleih aufmachen, wenn das so weitergeht mit den Reisegruppen im Gottesdienst und ihren Schirmen“, sagt sie plötzlich unvermittelt. „Das brauchen wir gar nicht organisieren“, kichere ich, „wenn es regnet, dann gehen die Schirme, die lange schon da stehen, nämlich einfach mit.


Der Faschingskrapfen

ein Beitrag von OKR Hon. Prof. Dr. Michael Bünker
 

Sie heißen anderswo Berliner, Fasnachtskiecheler, Kräppel, Küchli, Lewanzen oder Nonnenpfoten. So umstritten die Herkunft, so unbestritten ist die Tatsache, dass der Krapfen in Wien besonders beliebt ist und zum Fasching dazugehört. Und so sieht der echte Krapfen aus: oben Staubzucker, aber nicht zu viel, wenn man hineinbeißt, muss man gleich die Marillenmarmelade schmecken, aber sie darf nicht hinten rausrinnen.

 Freilich ist es leicht, zum Krapfen eine kurze Andacht zu machen, ja, er gibt wohl mehr her, eine ganze Predigtreihe ließe sich ihm widmen, und er würde es auch einmal verdienen. Zum Beispiel über Innen und Außen und die Frage: Wo ist die Marmelade? Weiters über den Staubzucker und die Süßigkeit, die laut Psalm 119 nur übertroffen wird von der Süßigkeit des Wortes Gottes. Und ganz klassisch – während das Dampfl angerührt wird und der Germteig gehen soll – über den Sauerteig und den Süßteig und dass das Reich Gottes wie der Sauerteig ist, ein bißchen davon genügt, um alles anders zu machen.

 Die Herkunft des Krapfen ist umstritten. Es gibt verschiedene Theorien und jede davon lässt sich zu einer kleinen geistlichen Betrachtung ausbauen.

 Theorie Nummer 1: Die besseren Ideen haben die Frauen.

1690 hatte sie ihre Bäckerei beim damaligen Peilertor (heute zwischen dem Graben und der Naglergasse gelegen). Cäcilie Krapf, genannt Cilli, der Wien die „Cillikugeln“ verdankt. Das war ein toller Erfolg! Cilli Krapf, nach anderen Quellen auch Krapfl oder Krapfen geheißen, füllte ihre Kugeln mit eingesottenen Früchten. Als Bibellesung passt dazu Genesis 3: Und das Weib sah, dass vom Baum gut zu essen wäre und lieblich anzusehen und begehrenswert, um Einsicht zu gewinnen. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab davon auch ihrem Manne, der bei ihr war, und er aß. Beim Wiener Kongress 1815 wurden mehr als 10 Millionen Cillikugeln verkauft.

 Theorie Nummer 2: Auch eine blöde Idee kann gescheit sein!

In Deutschland heißen die Krapfen Berliner und haben militärische Ursprünge, genauer: bei der Artillerie. Ein Zuckerbäcker, der Friedrich dem Großen als Kanonier dienen musste, erwies sich als wehruntauglich. Er blieb aber beim Regiment und soll so um 1750 auf die etwas komische Idee verfallen sein, Kanonenkugeln aus Teig zu formen. Da er keinen Ofen zum Backen hatte, warf er die Kugeln in heißes Fett.

Bibelstelle dazu: Und Gott wird richten unter den Heiden und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln und ihre Kanonenkugeln zu Krapfen machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

 Theorie Nummer 3: Die Welt wird aufgefressen. Die verschlemmte Welt, das Schlaraffenland.

Allerdings gibt es die Krapfenvorfahren schon viel länger. Schon vor über 2000 Jahren hatten die Römer ein Siedegebäck namens „globuli“. Daraus wurde um 1200 in den europäischen Klosterküchen ein Gebäck namens „Craplum“ oder „Craphun“, die in den öffentlichen Schmalzküchen der größeren Städte hergestellt und verkauft wurden. Der Name Globuli, kleine Welt, Weltchen, erinnert natürlich an die Gefahr, dass wir in unserer Gier die Welt verschlingen, auffressen, vernichten. Dazu nochmals aus dem Buch der Genesis: Siehe, sprach Gott zu den Menschen, ich habe euch alle Pflanzen, die Samen bringen und alle Bäume mit Früchten zur Speise gegeben. Mehr nicht.

 Theorie Nummer 4: Die Liebe höret niemals auf.

Daneben auch die Geschichte, dass eine verliebte Köchin, unglücklich verliebt, den zum Backen vorbereiteten Teig nicht in den Ofen schob, sondern versehentlich ins heiße Fett warf, und so schwammen die Krapfen heran.

Am liebsten sind die Dinge, die aus Liebe geschehen. Der große Kirchenvater Augustin hat sogar einmal gesagt: dilige, et fac quod vis! Liebe, und dann tu was du willst! Was aus der Liebe kommt ist gut. Selbst wenns ein versehen ist. Selbst wenn es anders gehörte. Selbst wenn es falsch ist. Die Liebe macht auch Falsches, Unrichtiges wieder richtig und gut. Und deshalb bitte ich jetzt, dass wir die Lesung  hören, die für diese Woche vorgegeben ist:


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